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Produktsicherheit, Verbraucherschutz- und Zollbestimmungen

28.04.2025

Immer mehr Pakete aus China verletzen EU-Standards bei Produktsicherheit, Verbraucherschutz und Zollbestimmungen. Dropshipping-Modelle von Anbietern wie Temu und Shein stehen dabei besonders in der Kritik.

Dropshipping - beunruhigende Pakete aus China

Unsichere Importe aus China gefährden Verbraucher. Foto: Pixabay

Dropshipping - beunruhigende Pakete aus China 

Im zurückliegenden Jahr sind vier Milliarden Pakete aus Drittstaaten direkt an Verbraucher im EU-Binnenmarkt verschickt worden. Dabei seien Produktsicherheitsstandards, Verbraucherschutz- und Zollbestimmungen systematisch verletzt worden, kritisieren der Handelsverband Deutschland (HDE), die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in einem gemeinsamen Positionspapier, das im Januar veröffentlicht wurde. 

Besonders im Visier der Kritik stehen darin der in Boston (USA) gegründete Online-Marktplatz Temu sowie der im Besitz von Zoetop Business in Hongkong befindliche chinesische Fast-Fashion-Riese Shein. Das vor allem aus China versendende Unternehmen Temu hat seinen Sitz in der irischen Hauptstadt Dublin, und gibt als Rechtsform „irische Limited“ an, welche als die wohl unternehmerfreundlichste Rechtsform in der EU gilt. Es verspricht ein Shopping-Gefühl „wie Milliardäre“. Die Gefühlswelt derer, die sich von den wohlfeilen Offerten im Internet in den Bann ziehen lassen, kann uns aber nur am Rande interessieren. Die Diskussion um die Geschäftsmodelle (oder vielleicht besser gesagt: Geschäftspraktiken) von Temu und Shein hat inzwischen Fahrt aufgenommen. Denn gerade in Zeiten von Inflation und Preiskrise wurde die Temu-Shopping-App allein im Google Play Store bereits mehr als 50 Millionen Mal heruntergeladen, wie die Verbraucherzentrale Ende August vergangenen Jahres mitteilte.

Niedrige Qualitäts- und Sicherheitsstandards

In einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 23. Januar dieses Jahres wird bemängelt: „Chinesische Onlineplattformen wie Temu und Shein stehen seit über einem Jahr in der Kritik wegen Qualität, Herkunft und Produktion der Ware. Viele Verbraucher und Behörden kritisieren die niedrigeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards chinesischer Produkte im Vergleich zu denen, die auf US-amerikanischen Plattformen verkauft werden. Es gibt Berichte über minderwertige oder unsichere Produkte, die nicht den Standards in Europa entsprechen.“ Der CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Markus Reichel hatte schon im Sommer vergangenen Jahres beanstandet: „Jeden Tag kommen 400 000 Päckchen von Shein oder Temu zollfrei nach Deutschland, mit teils verheerenden Standards bei Produktsicherheit, Verbraucherschutz, Nachhaltigkeit.“ Der SPD-Abgeordnete Dr. Jens Zimmermann ergänzte an anderer Stelle: „Wir wissen von der Hochschule des Zolls zum Beispiel, dass 60 Prozent dieser Pakete falsch deklariert sind. Das sind 240.000 Pakete, die jeden Tag nach Deutschland kommen, wo einfach nicht stimmt, was draufsteht, die zollrechtlich falsch sind.“

Die Kritik an den Importen umfasst – wie in der Unionsanfrage betont wird - eine ganze Reihe von Aspekten. Sie betreffen u.a.

  • mangelnde Sicherheitsstandards im Vergleich zu Produkten aus der EU
  • ungenügende Qualität
  • systematisches Umgehen von Abgaben (z. B. von Zöllen)
  • Unterlaufen von Verbraucherrechten
  • einen sich daraus ergebenden unlauteren Wettbewerb.

Diese Vorwürfe treffen in Gänze oder teilweise auch auf andere chinesische Online-Händler oder Geschäftsmodelle zu. Das Verfahren des Dropshippings muss da eingerechnet werden. Es ist ein Direktversandmodell, das sich hart an der Grenze zur Illegalität bewegt. Bezogen auf einen bestimmten Dropshipping-Shop kann man auf einer Website des „Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation“ (ÖIAT) lesen. „Bei diesem Online-Shop handelt es sich zwar nicht um einen Fake-Shop, dennoch kann der Einkauf auf dieser Seite zu bösen Überraschungen führen: Wer hier bestellt, muss mit langen Lieferzeiten, zusätzlichen Kosten, mit Problemen bei Retouren und mit minderwertiger Ware rechnen.“ Das Institut listet auf ihrer Website „https://www.watchlist-internet.at/“, die ständig aktualisiert wird, unseriöse Webseiten auf.

Um beim potenziellen Kunden möglichst kein Misstrauen zu erwecken, ist die Internetadresse mit dem deutschen Suffix „.de“ versehen, ohne dass das Unternehmen erkennbar in Deutschland einen Sitz hat oder auch nur eine Dependance unterhält. Im Impressum findet sich eine Anschrift in der Yat Tung Straße im Bezirk Tung Chung, einem „öffentlichen Mietgebiet“ in Hongkong. Wie Recherchen ergaben, ein „öffentliches Mietgebiet“ in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

Im Passus Widerrufsrecht – versteckt im Impressum - kann man über die Kosten bei einer Rücksendung u.a. in einem kaum verständlichen Kauderwelsch lesen: „Die spezifische Gebühr sollte auf der Grundlage der Express-Unternehmen Sie wählen. Wenn aufgrund unserer Gründe, die Ware erhalten sind beschädigt oder nicht richtig, und der Verbraucher ist nicht erforderlich, um die Versandkosten für diesen Grund zu tragen.“ Klingt wie vom Google-Translation-Programm vom Mandarin ins Deutsche übersetzt. Ein Indikator, dass die Muttersprache in der Firma kaum Deutsch sein kann. Wer die Kosten für den Rückversand trägt, bleibt also ein Rätsel.

Dabei scheinen die Kosten der Rücksendung ein wesentlicher Punkt eines zumindest zweifelhaften Geschäftsmodells zu sein.

Briefkastenfirmen in Hongkong

Schon im Dezember 2021 hatte die Deutsche Vertretung in China vor Betrügereien durch Briefkastenfirmen in Hongkong gewarnt. Die Zahl der beim zuständigen Finanzamt Berlin-Neukölln registrierten Onlinehändler mit Sitz in China, Hongkong und Taiwan habe sich von Mai 2017 bis Ende Juli auf 2835 mehr als versechsfacht.  

Am 20. Januar hat sich der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) in der Magazinsendung „Super.Markt“ des Themas Dropshipping angenommen. Dort wurde der Fall einer Online-Kundin gezeigt, die sich via Internet eine Winterjacke für 85 Euro bestellt hatte. Mit der Lieferung kam das böse Erwachen. Bereits die dürftige Verpackung ließ sie Schlimmes erahnen. Werder im Aussehen, noch in der Größe und schon gleich gar nicht in der Qualität entsprach die Ware ihren Erwartungen. Halb so wild könnte man denken, denn in der Offerte war ja eine 30-Tage-Geld-zurück-Garantie gegeben worden. Doch da kam der Pferdefuß zum Vorschein: Die Kundin musste, entgegen dem hier landläufig gängigen kostenlosen Retournieren, für die Rücksendung selbst aufkommen. Und das waren stattliche 50 Euro. Die Kundin erhielt schließlich den Kaufpreis erstattet, dennoch hat sie dieser Fehlkauf am Ende trotz Rückgabe 35 Euro gekostet.

Hohe Retourenkosten als Geschäftsmodell?

SECURITY INSIGHT hat selbst den Test gemacht. Die Ware, Kostenpunkt alles in allem rund 54 Euro, sollte zurückgeschickt werden. Beim ersten Kontakt mit dem Online-Shop, um das Prozedere für die Rücksendung zu klären, kam postwendend das „Angebot“, man würde – bei einem Verzicht auf das Zurückschicken – acht Euro des Preises erlassen. Kein Interesse unsererseits, deshalb ein zweiter Anlauf, der mit einer Erhöhung des Angebotes auf 15 Euro beantwortet wurde. Ein deutlicher Beweis, mit welchen Gewinnmargen bei solchen Dropshipping-Shops offensichtlich gearbeitet wird. Schließlich ging die Rücksendung und Gelderstattung über die Bühne, bei Kosten von fast genau zwanzig Euro Porto, die zu unseren Lasten zu Buche schlugen. An beiden Beispielen wird deutlich, dass es sich bei den Dropshipping-Käufen um ein Vabanquespiel handelt, bei dem das Risiko hoch ist Geld in den Sand zu setzen. Dropshipping aus Drittstaaten würde wahrscheinlich über Nacht einbrechen, müssten Retourenkosten bedingungslos vom Versender übernommen werden. Bezeichnend ist auch, dass es bei diesem Geschäftsmodell keine Anlaufstelle in der EU für Rücksendungen gibt, die das Kostenrisiko für Kunden erheblich senken würden.

Mit dem am 16. November 2022 in Kraft getretenen und seit dem 17. Februar 2024 vollumfassend anwendbaren Gesetz über digitale Dienste (englisch Digital Services Act, DSA) versucht die EU dem Online-Wildwuchs entgegenzuwirken. Nicht ohne Schwierigkeiten, wie einer Antwort der Bundesregierung im Februar vergangenen Jahres auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Meister entnommen werden kann.

Temu kooperierte

Im Fokus der Marktüberwachung der Bundesnetzagentur stünden auch chinesische Online-Plattformen wie Temu und Shein, wird in der Stellungnahme betont. Sowohl 2023 als auch 2024 seien „nichtkonforme Produktangebote an die Plattform Temu gemeldet und infolgedessen seitens des Plattformbetreibers gelöscht“ worden.

Da es jedoch im Rahmen einer Bildschirmprüfung häufig nicht möglich gewesen sei, „Mängel an Geräten zu identifizieren“, seien „zusätzlich Testkäufe auf der Plattform Temu durchgeführt“ worden. Diese hätten in nahezu allen Fällen ergeben, „dass die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten wurden“. Der Versuch jedoch, „solche Produkte nach einer physischen Prüfung zwecks Löschung an den Plattformbetreiber zu melden“, sei gescheitert, „weil es sich fast immer um zeitlich begrenzte Angebote handelte, die kurz nach dem Verkauf nicht mehr zur Verfügung standen.“

Eine weitere Herausforderung der Marktüberwachung im Bereich elektromagnetische Verträglichkeit bestehe darin, so in der parlamentarischen Antwort, „dass sich viele Plattformbetreiber außerhalb der Europäischen Union (EU) befinden, sodass dies dann das Durchschlagspotenzial der Marktüberwachung begrenzt.“ Die Plattformen Shein und Tomtop hätten bislang nicht kooperiert, Temu hingegen schon.

Zollfreigrenze als Schlupfloch

Mängelbehaftete oder beschönigend angebotene Waren können kaum ein dauerhaftes Geschäftsmodell sein. Aus diesem Grund nutzen die Online-Plattformen geschickt rechtliche Lücken, um sich Vorteile zu verschaffen und Kunden dennoch nicht zu verprellen. Eines dieser Schlupflöcher ist die Zollfreigrenze für Sendungen aus dem Nicht-EU-Raum von 150 Euro. Für Waren unterhalb dieses Wertes entfallen die Zollabgaben. Oftmals versuchen deshalb Versender Bestellungen, die diese Grenze überschreiten, in getrennte Lieferungen unterhalb der Freigrenze aufzuteilen. Dies ist zwar zollrechtlich nicht gestattet, aber schwer zu kontrollieren. „Kurzfristig sollte die EU“, so HDE, DSTG und vzbv in ihrem gemeinsamen Papier, „strengere Anforderungen an die gesetzlichen Vertreter der Online-Marktplätze einführen.“ Auf Bundesebene fordern die Verbände die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßte den Aktionsplan weitgehend. „Unsere Botschaft ist angekommen, die ständigen Regelbrüche von Temu und Shein müssen ein Ende haben“, zitiert der „Spiegel“ den HDE-Chef Alexander von Preen. Auf die Kampfansage müssten nun aber Taten folgen. Kritisch sehe der Verband allerdings, dass der Plan auch neue Regeln für deutsche Handelsunternehmen vorsehe.

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